Respect is everything. Ehre also, wem Ehre gebürt. GTA 5 ist das Spiel der Spiele. Mit 250 Mio. Dollar Entwicklungskosten, 800 Mio. Dollar Umsatz in den ersten 24h und über 1 Mrd. Dollar Umsatz in den ersten 3 Tagen ist es nicht nur das teuerste Spiel, sondern auch das Spiel, das alle Verkaufsrekorde gebrochen hat. Auch wenn Peter Molyneux diese Leistung nicht nennenswert findet; so etwas bringt nicht jede Firma in der Branche fertig. Hut ab also vor Rockstar. Spiele wie die Grand Theft Auto Serie sind es, die die Messlatte insgesamt höher legen. Sie beweisen, dass es sich auszahlt am oberen Produktionslimit zu arbeiten und nicht am unteren. Sie zeigen, dass die Community harte Arbeit belohnt, auch wenn mehrere Jahre in die Entwicklungszeit fließen. Jährliche Aufgüsse des Immergleichen mögen kurzzeitig erfolgreich sein, doch am Ende sind es Blockbuster wie GTA die die Videospielindustrie mit Unterhaltungsmedien wie der Filmbranche gleichsetzen.

Doch alle Lobpreisungen haben irgendwann mal ein Ende und man — oder besser gesagt ich — muss den Kopf frei kriegen für einen klaren Blick auf den Stand der Dinge. Obwohl GTA 5 ein sehr gutes Spiel ist, komme ich nicht drum rum an vielen Ecken „Probleme“ zu finden.

All aboard the Hypetrain!

GTA 5 ließ mich seit der Ankündigung eigentlich ziemlich kalt. Zwar bin ich seit jeher ein großer Fan der Serie — GTA 4 war der Grund für mich mir eine Xbox 360 zu kaufen — schlaflose Nächte suchten mich angesichts der Ankündigung aber trotzdem nicht heim. Umso interessanter die Tatsache, dass ich es mir dann doch bereits am Montag — also einen Tag vor Release — für den lächerlichen Preis von 69,99€ zulegte.

Ab hier Spoilergefahr!

Mittlerweile habe ich GTA 5 durch und bin irgendwie nicht zufrieden. Im direkten Vergleich zu GTA 4 wurden so viele spieltechnische Elemente verbessert, im gleichen Atemzug aber die Story auf ein Hollywood Klischee runtergebrochen. Die drei Charaktere Michael, Trevor und Franklin könnten unterschiedlicher nicht sein. Der eine ein Familienvater und Psychopath, der einmal in der Woche auf der Couch sitzt um sich Dinge erzählen zu lassen, die er selber weiß; der andere ein Meth kochender Hillbilly, den du im ersten Moment ins Herz schließen und dann ins Herz schießen willst; und der arme Junge aus den Slums, der irgendwie in alles reinrutscht.

Hier ergibt sich schon das erste Problem: Ich will nicht mit allen spielen. Franklin ging mir so auf die Schnürsenkel, dass ich die meisten Missionen mit ihm ausgelassen habe und wirklich nur das nötigste gespielt habe. Mir ist klar, dass es zum Klischee des Charakters passen soll, aber das ganze „Nigga-um-die-Ohren-Geschmeiße“ in den Cutscenes und Gesprächen regte mich nach 30 Minuten nur noch auf. Ich bin einfach kein Fan von diesem „Hood-Slang“.

Wann immer ich konnte spielte ich also mit Trevor oder Michael, was den Druck Franklin zu spielen aber nur erhöhte. Denn das Spiel wirft einem kontinuierlich entgegen „Hey, Franklin hat noch 7 offene Missionen. Spiel die doch. Los komm schon. Du verpasst was.“ „Aber ich mag ihn nicht!“ Anders hingegen die Gruppenmissionen und Heists. Die Möglichkeit jeder Zeit zwischen den Charakteren wechseln zu können und sich gegenseitig zu unterstützen ist wirklich eine gelungene Idee die Spaß macht. Mit Franklin Granaten werfen, schnell zu Trevor wechseln und den Rücken decken, auf Michael wechseln und die Scharfschützen ausschalten: Klasse! Leider kommt es viel zu Oft vor, dass eine bestimmte Reihenfolge vorgesehen ist. Das obere Beispiel ist also keine Variation meinerseits, sondern ein gescriptetes Event im Spiel. Vielleicht will ich aber gerade nicht mit Michael im Auto flüchten, sondern lieber mit Trevor im Helikopter ? Ich darf es aber nicht, das Spiel hat etwas anderes mit mir vor.

Zahltach Maximalpigmentierter mit Migrationshintergrund!

Womit wir bei den Heists, also den Überfällen wären. Diese machen den Kern des Spiels aus und sind wirklich gut in Szene gesetzt. Die Gruppe plant den Überfall auf ein lukratives Geschäft, eine Bank, ein Juwelier, man kennt das ja. Dabei hat man stets die Möglichkeit sich zwischen zwei Vorgehensweisen zu entscheiden, die natürlich auch den Wiederspiel-wert erhöhen. Die Pläne orientieren sich selbstverständlich an Hollywood-Vorlagen. Will ich vom Helikopter aus skydivend ins FIB Hauptquartier eindringen oder doch lieber getarnt als Feuerwehr-Crew? Verkleide ich mich als Hausmeister, oder grabe ich mich mit einem Tunnelbohrer in die Bank? Zusätzlich muss man Crewmitglieder wählen, die am Gewinn beteiligt werden. Mir fiel es also nicht schwer immer die schlechtesten mit zu nehmen, um meinen eigenen Gewinn zu maximieren. Sein wir ehrlich, die KI hat in Spielen selten was drauf und es läuft darauf hinaus, dass man die Arbeit eh selbst macht.

Leider sind die Heists aber viel zu selten und unfreiwillig. Sie sind festgelegte Höhepunkte in der Storyline und können nicht alternativ neben der Storyline angewählt werden. Was hätte dagegen gesprochen in der Story einen bestimmten Betrag erwirtschaften zu müssen und dem Spieler die Freiheit zu stellen, ob er das Geld durch Heists oder Aktieninvestitionen oder Immobilien erwirtschaftet? Was ja unter anderem zwei Möglichkeiten sind in Los Santos Geld zu verdienen.

Oder man hätte dem Spieler die Möglichkeit gegeben, zwischen mehreren Heists wählen zu können. An diesem Punkt wird Potential verschenkt. Potential, dass sich Los Santos wie eine wirklich offene Welt anfühlt, in der ich die Entscheidung treffe und nicht das Gefühl habe, auf einer Schiene zu laufen. Das Spiel lässt einen nur an bestimmten Punkten Entscheidungen treffen; Schade!

The Story of Ricky

Geneigter Leser wird sich jetzt vermutlich schon lange fragen, was mich jetzt eigentlich genau an GTA 5 stört. Die genannten Punkte sind wirklich nur Peanuts, in Anbetracht der Größe und Vielfalt, die einem geboten wird. Der Knackpunkt ist die Story. Drei Hauptcharaktere machen es schwer genau verfolgen zu können wer jetzt mit wem im Klinsch liegt, welcher Bösewicht es auf welches Crewmitglied abgesehen hat und warum Organisation A will, dass ich Organisation B ausschalte.

In der Story werden Beziehungen gebildet, über den Haufen geworfen und intrigiert. Das ganze wird dann abgerundet durch Ereignisse in der Vergangenheit, die irgendwie in aktuelle Geschehnisse mit reinspielen und ehe man sich versieht sitzt man da und fragt sich „Wer war das nochmal? Warum töte ich den? War mein Auftrag jetzt einen meiner Leute zu töten oder ihm zu helfen?“ und nicht zu vergessen die allseits beliebte Frage „Wer sind Sie und wieso schießen Sie jetzt auf mich?“

Als Vergleich möchte ich anmerken, dass ich von der GTA 4 Story begeistert war. Dort konnte ich Beziehungen zu den Charakteren aufbauen. Mir tat es leid als ich Vlad umlegte, aber es musste sein. Ich dachte es wäre richtig, als ich Mr. Faustin das Handwerk legte. Und Himmel war ich geschockt als das Ende bevorstand. Selten hat mich ein Spiel Gefühlstechnisch so umhergeschmissen.

Doch in GTA 5? Nichts dergleichen. Die kaum nennenswerten Missionen tröpfeln so vor sich hin. Da gibts halt das korrupte FIB, die gegen irgendeine andere Organisation kämpfen. Von denen hört man aber so rein gar nichts. Die wollen einen auch nicht auf ihre Seite ziehen, also legt man die ganze Zeit irgendwelche nichtssagenden Leute um, passt scho‘! Dagegen steht die sehr interessante Story um Michaels Familie, die mit ihm und seiner Art einfach nicht mehr klar kommt und daraufhin das Weite sucht. Zumindest bis zu dem Punkt, an dem sie feststellt, dass der alternative Yoga-Trainer mit dem sie abgehauen sind ein Arsch ist und wieder zu ihm zurück kommt. Michael, Gangster wie er ist, macht aber genau so weiter wie bisher und der Rest findet das auf einmal ganz Dufte. Das sind Logikfehler die einfach unnatürlich wirken. Ich erwarte bei GTA, dass es mich aus der Bahn wirft; dass Michael in einem Wutanfall zum Beispiel seine eigene Frau erschießt. Ich will, dass GTA mir Charaktere wegnimmt, die ich vorher ins Herz geschlossen habe.

1, 2 oder 3?

Vielleicht liegt es ja an der allgemeinen frohen Spielwelt von Los Santos, dass diese Elemente fehlen. Liberty City habe ich als finsteren Ort in Erinnerung, der mit den osteuropäischen Charakteren wunderbar verschmilzt. Vielleicht will GTA 5 in Anbetracht von Sonne, Strand und knappen Bikinis kein düsteres Image ausstrahlen? Doch geht so ein gewisser Grad vom Gangster-Flair flöten. Der Teil, der einem beweist, dass sich Raub und Mord nicht auszahlt. Ich selbst habe mich am Ende des Spiels unterbewusst für das, im Nachhinein, „gute“ Ende entschieden, auch wenn es mich anfangs deprimiert zurückgelassen hat. Möglicherweise ist ja genau das die Parallele, die es mit GTA 4 verbindet. Denn auch dort war ich am Ende des Spiels mehr als nur geknickt. Es erreicht mich allerdings auf einer anderen Ebene, die keinen Wow-Effekt hinterlässt, wie eben Teil 4.

Haben sich 70€ zum Release also gelohnt? Ja, durchaus. GTA 5 wird mir zusammen mit seinem kleinen Bruder als das wichtigste Spiel dieser Generation in Erinnerung bleiben. Selbst wenn man einiges hätte besser machen können, so habe ich mich nicht durchs Spiel gequält und das ist die Hauptsache. Los Santos ist eine tolle Welt die ich auch jetzt noch weiter erkunden möchte. Ich möchte skydiven, Jagen, Autos kaufen, Flugzeuge klauen, Hubschrauber fliegen, vor der Polizei flüchten, Tunen, Radfahren, im Strip Club abhängen und am liebsten Heists machen. Wer weiß, vielleicht schafft es Rockstar dann im sechsten Teil die Vorzüge beider Spiele zu vereinen und mir den ultimativen Blockbuster vor den Latz zu knallen, den ich in Teil 5 sehr gern gesehen hätte, aber leider nicht sehe.