Ich habe Indie-Games satt! Damit auch jeder gleich etwas zum Aufregen hat, die böse Nachricht vorweg. Wer jetzt noch nicht in die Comments hackt, wie doof ich doch bin, dem möchte ich auch eine verdiente Erklärung liefern, wieso ich sie teilweise genau so unnötig wie die letzte Fortsetzung des Namen-Verwandten Peitschenschwingers halte. Doch vorweg sollten wir noch schnell eine Frage klären.
Was ist Indie überhaupt?
An dieser philosophisch tiefgründigen Frage sind schon die größten Geister des letzten Jahrhunderts (dieses hat ja noch keinen wirklichen hervor gebracht) gescheitert. Einige sagen, Indie spiele würden sich durch ein kleines Team, wenig Budget und keine großen (wenn überhaupt) Publisher im Rücken auszeichnen. Hierzu würden dann aber auch Spiele wie Arma 3 zählen. Und bei dem würde doch wirklich keiner von Indie sprechen. Im Umkehrschluss wäre Mojang auch längst kein Indieentwickler mehr.
Indie definiere ich über die Art des Spiels. Das kleine Appetithäppchen für zwischendurch, dass durch möglichst wenig Aufwand einen verhältnismäßig großen „Boah!“ Effekt erzielt. Dabei sind mir 3 Arten aufgefallen, die sich durch die Indie-Szene ziehen wie die farbigen Orientierungslinien im Krankenhaus.
8-Bit-Games oder „Ey guckt ma wie retro wir sind!“
Ich kann es nicht mehr sehen! So sehr ich die 8- und 16-Bit-Ära auch liebe, aber meine Güte nervt es mich einen ständigen Aufwasch der Pixelgrafik in „modernen“ Titeln zu sehen. Es ist wie mit den 70er Jahre Sonnenbrillen, die Teenies bei ihren Eltern auf dem Dachboden ausgegraben haben und nun voller Stolz in den Öffentlichkeit tragen. Wieso nutzt man keine 3D-Engine? Zu teuer? Zu inkompetent eine zu programmieren? Oder will man wirklich nur auf den Retro-Zug aufspringen um sich möglichst von den großen Entwicklern zu distanzieren? Getreu dem Motto „3D ist der Feind, unsere Kriegsbemalung ist quadratisch!“
Dabei zeigen Titel wie Giana Sisters: Twisted Dreams, dass eine 3D-Engine vielerorts gar nicht so verkehrt wäre. Wie gern würde ich ein FEZ oder Super Meatboy in wirklich schöner, moderner 3D-Optik sehen. Stattdessen wird man allerdings wieder 20 Jahre in der Zeit zurück versetzt. Ich hab schon langsam das Gefühl, dass sich Videospiele gar nicht weiterentwickeln
Natürlich ist 8-Bit nicht grundsätzlich schlecht. Retro City Rampage würde ohne diese Optik gar nicht funktionieren. Hier finde ich die Arbeit auch bemerkenswert. Oftmals habe ich aber wie gesagt das Gefühl, dass man einfach faul war und etwas mehr „Hui“ einem Spiel gut tun würde.
MineKrampf oder „Guck mal, wir können auch in Würfel!“
Ja ich weiß, Minecraft war nicht das erste Spiel seiner Art. Und trotzdem ist es hier wie mit World of Warcraft; der Platzhirsch bestimmt den Werdegang. Nach Minecraft sprießen.. sprossen.. spraßten (?) … wuchsen „Bau-ab und -auf-Spiele“ aus dem Boden wie Bauklötze in selbigen Titeln. Wie oft will man mir noch verkaufen, dass ich mit einer Spitzhacke Steine kaputt kloppen kann? Und was mich viel mehr nervt: Wieso hat keiner das System hinter Minecraft mal weiter gedacht. Wie wäre es zum Beispiel mal mit anderen geometrischen Formen? Oder mit einem Spielziel? Ich hab gehört, dass Basen bauen und sich danach die Köppe einkloppen bei Spielern großartig ankommen soll. Ach halt da gabs ja was: Brickforce und Ace of Spades.
Wo bleibt der große Baukasten, wo alle Spieler gleichzeitig auf „einem einzigen“ Server unterwegs sind, ihre Basen bauen, Gilden gründen können, Dungeons entwickeln, Waffen erschaffen, sich beharken und quasi Gott sein können? Wo? Wehe jemand kommt mir mit Minecraft-Mods!
Schattenmysterien oder „Wir hatten keine Ahnung wie das Spiel aussehen soll!“
Mysteriöse Schatten lauern im Hintergrund. Der Protagonist ist nur schwer bis gar nicht erkennbar. Inhaltlich mag einem hier ja viel geboten werden, aber rein optisch kann ich diese künstlich verschleierten Spiele nicht ernst nehmen. Element4l zum Beispiel. Sicherlich ein klasse Spielprinzip, aber warum dieser Look?
Das ist wie mit moderner Kunst im Museum. Ich verstehe sie nicht! Und ich verstehe auch nicht, wie jemand anderes sie verstehen kann! Warum kann man da nicht voll die „BÄM-EFFEKTE“ hinrotzen? Wieso dieses marginale Gewand? Ein Spiel mit einem Klasse Spielprinzip hätte es doch verdient!
Effektiver Unterhaltungswert?
Womit wir beim Thema des Unterhaltungswerts wären. Man darf Indie-Spielen zu gute halten, dass sie für ihr Geld inhaltlich sehr viel bieten. In den meisten Fällen. Im prozentualen Vergleich stehen sie sicher besser da, als so manches AAA-Spiel. Also, so rein von der Spielzeit her. Im direkten Vergleich sind es aber Nieschen-Spiele, die mich nicht lange bei der Stange halten können. Ein FTL oder Don’t Starve kann mich niemals über 130 Stunden unterhalten, wie es ein Borderlands 2 tut. Ja ich weiß der Vergleich ist gemein, völlig haltlos und passt überhaupt nicht hierher. Aber das sind die Spiele die ich spielen will. Ich will im Kino auch große Unterhaltung sehen und keine französische Schwarz-Weiß Doku mit Untertiteln.
Denn hier liegt das große Problem. Die Indie-Szene verkommt in meinen Augen. Jeder will Indie sein. So wie jeder heutzutage Hipster sein will. Weil hier das große Geld gemacht werden kann. Weil die Spieler ihr Vertrauen in große Entwickler und Publisher verlieren. Stellenweise zurecht. Viele Spieler investieren heute schon mehr Geld in Indie-Spiele als Großproduktionen. Einen Zehner für Terraria geben viele lieber aus als 60€ für den nächsten Collie of Duty-Teil, wenn sowieso jeder weiß, dass das Spiel ein viertel Jahr später auf der Pyramide zu kaufen ist.
Wozu dies im Indiesektor führt ist ein großes, verwaschenes Erscheinungsbild. Greenlight allen voran verliert man schlicht die Übersicht über gute und schlechte Indiespiele. Und vielmehr als die Mängel, die oben genannt sind, ist es diese schiere Masse, die mich die Lust an diesen Spielen mehr und mehr verlieren lässt. Wenn ich auf Greenlight dann „Spiele“ über einen Let’s Player entdecke ist bei mir einfach der Stecker raus. Und dieses Paint-Gekritzel als Spiel zu bezeichnen ist wirklich noch großzügig.
Ich möchte Indie-Spiele spielen! Ich freue mich auf Darkwood, welches vor wenigen Tagen erfolgreich sein Crowdfunding-Ziel von $40.000 erreicht hat. Ich möchte aber weniger vom Immer-gleichen und mehr spielerische Risiken seitens der Entwickler. Legt mir Konzepte vor, die mich aus den Socken hauen! Zeigt mir, dass ihr mehr als nur 2D-Pixel-Grafik drauf habt. Es muss ja keine Ultra-High-End-Unreal-Engine sein. Nur lasst mich nicht am kurzen Arm verhungern, so dass ich am Ende da sitze und denke „Da wäre mehr drin gewesen.“
LG bersi
5 Nudeln
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Schön geschrieben. Bin auch ganz deiner Meinung. In der Indie Szene gibt es kaum noch Innovationen, die einen richtig Flashen. Klar MineCraft hat uns umgehauen und auch Super Meat Boy war klasse, aber vom Umfang her kann es nicht an einem Borderlands 2 oder einem Gears of War mit halten.
Kurz: Ich möchte von einen Titel überrascht werden und genau das schafft in meinen Augen kein Call of Duty und auch kein MineCraft. Das schaffen in meinen Augen nur neue IPs, wie Borderlands oder Darksiders. Die Nachfolger von diesen neuen IPs können dann besser, genauso gut, oder schlecht sein, aber gerade die Vorgänger überraschen mit etwas, was es vorher noch nicht gab und das muss auch in die Köpfe der Indie Entwickler.
Ich möchte kein Super Meat Boy Klone oder ein MineCraft in 2D oder etwas was es schon mal gab. Ich will was neues und das ist auch der Grund, warum ich mich auf die Next Gen freue, denn da haben die Entwickler mehr Resourcen für etwas komplett neues, was es bisher noch nie gegeben hat.
Zum Beispiel ein Brettspiel für die WiiU, ein interatives TV Quiz auf der Box, ein Vektor Shooter mit noch mehr Polygonen Gegner oder ein Darksiders mit 4 Spielern und Western Touch
Das würde mir schon reichen 🙂
Spiel mal To the Moon.
Ich hab noch keine Indie-Games gespielt weil mich selbst noch keins angesprochen hat, bin aber froh dass sie existieren. Sie nehmen keine Ressourcen weg bei den großen Publishern, setzen diese aber unter Druck wieder innovativer zu werden, da XYZ Teil 6 damit als das wahrgenommen wird was es ist: (Meistens) innovationsarme Fortsetzung. Indie-Spiele zeigen dass es keine bombastische Inszenierung braucht um Spieler zu begeistern und das kommt hoffentlich bei den großen Publishern an: mehr Zeit in Gameplay stecken lohnt sich statt in Ulta-HD-Feuereffekte.
Transport-Tycoon fällt nicht wirklich in die Indie-Sparte, aber als Open-Source-Variante zähl ich das für mich dazu. Und es kommt ohne Achievements/Online-Shop/DRM/DLC/Vorbesteller-only-Zeug daher sondern ist „einfach“ Spiel wie –> Indie-Spiele.
Generell dürfte die Grafik aber gerne in halbwegs zeitgemäßem 3D sein statt im Retro-Design – da geb ich Bersi 100% Recht.
Ich könnte dem Artikel noch hinzufügen:
Indiegames sind geworden wie Smartphone Apps