Man ist es lange her seit dem letzten „Bersi brabbelt“. Ich muss zugeben, dass ich die Kritik an meiner Video-Version von bersi brabbelt zu Peter Molyneux und Godus erst einmal verdauen musste. Ja, der eingesprochene Text war größtenteils stand-up. Ich hatte mir einige Zitate zurecht gelegt, an denen ich mich entlang hangeln wollte. Der Rest sollte aber so natürlich wie möglich rüber kommen. Ich bin auch kein Freund von neumodischen „Hardcuts“. Ihr wisst schon, diese Schnitte, bei denen man den Sprechern anmerkt, dass sie keinen vollständigen Satz heraus bringen, ohne ihn 17 Mal einzusprechen. Ich denke, dass dies zu sehr gekünstelt wirkt und nachfolgende Generationen Gefahr laufen, dieses Phänomen zu ihrer täglichen Sprachrhythmik zu machen. Das möchte ich nicht unterstützten.

Insofern waren es mehr Vorwürfe wie „Der liest ja Zitate ab“, die mich schlucken ließen, als die allgemeine Kritik, dass ich zu aggro und kindisch rüber kam. Denn wer allen Ernstes glaubt ein LeFloid würde nicht dann und wann mal ablesen, der irrt und zwar gewaltig.

Doch heute soll es nicht um mich, euch oder dieses Format gehen. Ich wollte nur kurz anmerken, warum die neuste Ausgabe etwas länger auf sich warten ließ. Bersi brabbelt wird es sicherlich auch mal wieder in Videoform geben. Dann allerdings vielleicht mit einem Thema, bei dem ich nicht sofort so aufgebracht bin. Heute möchte ich jedenfalls für die Gesellschaftliche Akzeptanz unser aller Lieblingshobby sprechen. Stein des Anstoßes gab dieses Video:

 

Doch möchte ich jetzt nicht in einen oberflächlichen Flame verfallen, der das junge Mädchen bis ins kleinste diffamiert. Man muss allerdings auch kein Genie sein um zu wissen, dass ich als passionierter Spieler und ehemals aktiver World of Warcraft Spieler auf Progress-Niveau (was so viel bedeutet wie die schwersten und neusten Gegner im Spiel zeitnah nach Implementierung ins Spiel besiegen und das möglichst vor allen anderen) über den Sinngehalt dieses Videos nur mit dem Kopf schütteln kann.

 

My little WoW-Story

Meine WoW-Karriere ist lang. Ich spiele seit Herbst 2004, als das Spiel noch in der geschlossenen europäischen Betaphase war. Zwar spiele ich seitdem nicht permanent und durchgehend, aber ich bin bei jedem Mitternachtsverkauf eines neuen Addons in der ersten Reihe mit dabei. Dann und wann überkommt es mich und ich spiele einen Charakter auf die höchste Stufe und lege WoW dann wieder beiseite.

In meiner Blütezeit jedoch, spielte ich 10-12h täglich. Zusammen mit meiner damaligen Freundin und meinem Bruder spielte ich in einer Allianzgilde auf dem Server Kil’Jaeden. 6 von 7 Tagen in der Woche zogen wir mit 20-40 Spielern los um die schwersten Bosse im Spiel zu besiegen und die beste Beute abzugreifen. Höhepunkt dieser Zeit war sicherlich ein 16 stündiger Raid (Dungeon für bis zu (damals) 40 Spieler) im Molten Core. Sonntags von 10 Uhr morgens bis 2 Uhr nachts. Wie gesagt, das war die Ausnahme.  In der Regel dauerten Raids 4-5 Stunden, was natürlich immer noch eine beachtliche Spielzeit darstellt. Und natürlich war nach solchen Raids nie Schluss. Vorbereitungen in Form von Tränken, Verzauberungen, Gold sammeln für Reparaturen standen auf dem Plan.

Mir wurde mit der Zeit die Rolle des Raidleiters übertragen (Taktikten vorbereiten, Anmeldungen organisieren, Punktesysteme verwalten) und später auch die eines Gildenrat-Mitglieds (Einer von Fünf Anführern unserer Gilde). Ich war also das Mädchen für alles und hörte mir noch so kleine Wehwehchen an.

Heutzutage ist WoW bei weitem nicht mehr auf diesem Niveau. Viele Ziele lassen sich im Spiel schon mit wenig Leuten oder gar allein erreichen. Moderne und Server-übergreifende Techniken machen es möglich. Soviel aber nur dazu, damit auch Nicht-WoW-Spieler verstehen, wieso ich den Inhalt des Videos nicht gut heiße.

 

Guns don’t kill people…

…und WoW macht keine Süchtigen. Ja ICH war süchtig nach dem Spiel. Meine damalige Freundin und ich verließen Geburtstagsfeiern vorzeitig um spielen zu können, wir sagten Freunden ab weil wir uns nicht wohl fühlten. Und irgendwann, als sie nicht mehr spielte, vernachlässigte ich sie. Es war schlimm. Doch die Akzeptanz meiner Familie war da. Mein Bruder spielte es, meine Freundin bis zu einem gewissen Zeitpunkt und ich. Es war Gesprächsthema Nummer 1 bei jedem Treffen. Neue Taktiken, Ausrüstungen und Update-Gerüchte seitens Blizzard. Meine Eltern freuten sich, dass wir so viel Spaß zusammen hatten. Sie sahen mir sogar beim raiden zu. WoW wurde in meiner Familie „gefördert“.

Aber es ergeht eben nicht jedem so. Auf jeden Süchtigen kommt mindestens ein nicht Süchtiger. Ich würde sogar soweit gehen, dass die Mehrheit eben nicht so exzessiv spielt. Aktuelle Statistiken einschlägiger WoW-Seiten bestätigen dieses Bild. Die meisten Spieler erreichen eben nicht so rasch die hohen Ziele und besiegen die schwersten Endgegner. Dies ist natürlich nur ein Indiz für die wirkliche Spielzeit, aber welche Statistik ist schon greifbar?

 

10 Stunden Dauerzocken!

Luisa Skrabic spricht in der Videobeschreibung von ihrer 3-monatigen „exzessiven Zockerphase“.

Fakt 1: Wenn sie zu „Classic“ (also WoW ohne jegliches Addon) 3 Monate exzessiv gespielt hat, hat die Zeit nie und nimmer ausgereicht um auch nur ansatzweise alles von dem zu sehen, was WoW ausmacht. Nämlich nicht nur stupides zocken, sondern soziales Engagement, Teamgeist aufbauen, taktieren, Verabredungen einhalten, Verlässlichkeit zeigen, Aufopferungsbereitschaft zeigen u.v.m.

Wenn sie zu einem beliebigen späteren Addon-Zeitpunkt gespielt hat, sind 3 Monate mehr als ausreichend um alles zu sehen. Sofern man sich etwas engagiert und kein „Movement-Günther®“ ist. In diesem Fall frisst WoW aber auch nicht mehr Zeit als ein Borderlands 2, Diablo 3 oder Candy Crush. Wieso richtet sich ihre Message also direkt an WoW-Spieler und nicht an Spieler im Allgemeinen?

Doch ihre Liedzeilen sprechen ja ausdrücklich WoW-Spieler an. Hier kommt nämlich der tragende Grundpfeiler zum… ähh… tragen. Es sind Gateway-Games die immer wieder als Mittel dienen, die Gemeinschaft der Spieler über einen Kamm zu scheren. Spiele, die auf eine besondere Weise eine Verbindung von Spielern zu Nicht-Spielern herstellen. Counter-Strike war seinerzeit der Sündenbock beim Thema Gewalt und World of Warcraft ist der Sündenbock, wenn es um Sucht geht. Es ist ihre Präsenz, die sie diese Bürde tragen lässt. Denn Nicht-Spieler kennen genau vier Spiele: Mario, Zelda (besser bekannt als „Dieser komische Typ im grünen Gewand“), Counter-Strike und WoW. Und auf diese 4 Spiele werden wir als Gemeinschaft immer wieder reduziert.

Selbst der Spiegel-Artikel von vor einigen Wochen brachte es nicht fertig, die Spiele ins Rampenlicht zu rücken, die eben mehr sind als nur Blutvergießen und den sozialen Verfall „automatisch“ herbeiführen. Statt über die Spiele zu berichten, die bei wirklich jedem Spieler im Regal stehen, wurden Spiele erwähnt von denen ich als Spieler noch nie etwas gehört hatte. Ganz einfach, weil es Spiele für Therapien in Krankenhäusern waren. Für Gruppen die vielleicht nicht einmal Spieler sind. Kein Zocker hat einen Krebs-Simulator zuhause liegen weil der eine tolle Blut-Physik hat.

 

Freiheit ist das einzige was zählt!

Doch zurück zu Luisa. Diese will uns in ihrem Video zeigen, wie toll doch das „reale Leben“ ist. Indem sie McDonalds Cheeseburger auf den Grill schmeißt, Shisha raucht, Bionade trinkt und mit ihren Freunden am Smartphone hängt. Immerhin steht im Hintergrund ein Baum. Ich mach das auch alles. Wirklich. Naja, bis auf Shisha rauchen. Halt ich nicht viel von. Dafür trink ich dann und wann mal Alkohol. Wegen dem Baum… tja… ich hab ne Yucca-Palme im Zimmer. Zählt die auch?

Was soll das? Was will man hier denn suggerieren? Natürlich weiß ich, was mir diese Bilder vermitteln sollen. Alles was ich jedoch mitnehme ist, dass die heutige Welt ein heuchlerischer Haufen ist. Smartphones sind hipp. Hat sich einer von euch mal mit Verstand umgeschaut? Der Altersdurchschnitt während meiner Ausbildungszeit lag bei ungefähr 20, als gute 8 Jahre jünger als ich selbst. Es ist abartig zu sehen, wenn jeder nur auf sein Telefon glotzt, mit Leuten die neben ihm sitzen „whatsapped“ und sich auf Facebook virtuelle Daumen, Zeige und Mittelfinger um die Ohren wirft. Und das nennt sich dann sozial integriert? Das ist moralisch wertvoller als Zocken mit Freunden? Sich am See anschweigen und aufs Display glotzen ist besser als im Teamspeak sitzen und sich gemeinsam eine Taktik zu überlegen? So verbringe ich meine Zeit als junger Mensch also „richtig“?

Wieso bin ich der Außenseiter wenn ich sage, dass ich zocke? Ich bin der, der sich abkapselt? Weil ich nicht der Norm entspreche? Weil ich aus dem Trog der „sozialen Gleichheit“ ausbreche? Weil ich mir von der Gesellschaft nicht diktieren lasse, wer ich zu sein habe? Weil ich Candy-Crush eben nicht wie jeder dahergelaufene „Zocker“ bis zum Erbrechen zwischen 2 Bushaltestellen suchte?

Als ich 2011 einer Mitschülerin sagte, dass ich Gamer bin war die Nachfrage „Bist du auch so einer?“. Ich bin sieben mal im Dreieck gesprungen. Diese Gesellschaft von heranwachsenden und jungen Menschen gibt vor etwas zu sein, was sie nicht ist, verteufelt jeden, der nicht zu diesem Pulk gehört und straft ihn mit Ausgrenzung.

Es fällt mir auch heute immer noch schwer zu erklären was ich mache. Es ist nicht einfach zu beschreiben was Rawiioli ist und was Spielen für mich bedeutet. Diese Gesellschaft ist noch immer nicht offen für Spiele und ich befürchte sie wird es niemals werden. Denn die Gesellschaft will nichts neues lernen. Sie will sich ihr perfektes Gesamtbild nicht zerstören. Sie will auf diesen Wellen mitreiten. Sie will in der Masse versinken. Weil Sie Angst davor hat zu hinterfragen wer sie selbst ist. Dann doch lieber den Rest noch kleiner halten. Denn es ist immer einfacher andere dafür zu verurteilen wer sie sind, als sich selbst einzugestehen, dass man nicht weiß, wer man selbst ist.

Wofür also schämen? Spiele haben mir so vieles beigebracht. Über mich, über Mitmenschen und über die Welt. Ich selbst bin ruhiger geworden. Während ich aktiv CS gespielt habe, war ich ein unkontrollierbarer Teenager. Während meiner WoW-Zeit habe ich gelernt was es heißt Verantwortung zu übernehmen. Ich habe eine 50-Spieler starke Gilde geleitet, habe gerechte Gruppenverteilungen erstellt, die sowohl effektiv aber auch sozial gerecht waren und niemanden benachteiligten. Ich habe gelernt anderen Spielern zu helfen, selbst zu verzichten um der gesamten Gilde dienlich zu sein. Ich habe gelernt wo meine Grenzen liegen, wie ich falschen Menschen gegenübertreten kann. Wie ich mit ihnen diskutieren kann, wie ich schwache Mitmenschen beschütze. Ich habe gelernt wie ich in Stress-Situationen einen kühlen Kopf bewahren kann und wie ich Taktiken in Bruchteilen von Sekunden umstellen kann.

All das sind Fähigkeiten die mir in meinem Beruf weiterhelfen. Ich stehe oft vor solchen Problemen. Heute kann ich nachfragen, wenn ich etwas nicht weiß. Etwas, was ich vor WoW nicht konnte. Ich bin stolz auf mich, mein Hobby und meine Leistungen. Es ist nicht falsch sein Leben so zu leben wie man möchte. Kein Treffen von Angesicht zu Angesicht ist zwingend besser, wichtiger, gehaltvoller oder mehr wert als ein gemütlicher Abend im Teamspeak mit Freunden. Es kommt lediglich darauf an, ob man mit sich selbst zufrieden ist.

Ich bin Zocker und ich bin stolz drauf!

bersi